SPD Wahlanalyse 2016

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Ergebnisbericht der AG Wahlanalyse 
Vorlage für den 
SPD-Landesvorstand 
am 11.10.2016
Autor/innen:  Ellen Haußdörfer, 
Helmut Kleebank, Annika Klose, 
Matthias Köhne, Maja Lasic, Gero 
Neugebauer, Mark Rackles(Leitung) 
und Richard Stöss.
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SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 1 / 16 
"Noch so ein Sieg und wir sind verloren!"  
(Gero Neugebauer; Sept. 2016) 
 
Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis 
1 
der Berliner SPD vom 18.09.2016 hat der GLV 2 
dem LV die Einsetzung einer AG Wahlanalyse 3 
empfohlen, die dieser am 19.09.2016 einstim-4 
mig eingesetzt hat. Die AG hat sich umgehend 5 
konstituiert  und  strebte  eine  vertiefte  aber 6 
zügige  Analyse  der  Wahlergebnisse,  der  zu-7 
grundeliegenden Wirkungsfaktoren sowie erste 8 
Schlussfolgerungen für den Landesvorstand im 9 
11. Oktober 2016 an. Ziel war keine akademi-10 
sche  Debatte  und  Studie  sondern  praxisnahe 11 
Empfehlungen, die nach Debatte und Konsens 12 
im Landesvorstand unmittelbar in die weitere 13 
politische Arbeit der SPD Berlin einfließen soll-14 
ten. Dies umfasst bereits die Phase der Koaliti-15 
onsbildung, da eine eventuelle Neuausrichtung 16 
bezüglich  Umfangsformen,  inhaltlicher  Profil-17 
bildung und der Schwerpunktsetzungen inner-18 
halb der neuen Koalition von den Ergebnissen 19 
der Wahlanalyse abhängen könnten.  20 
 21 
Die AG hat sich gem. Landesvorstandsbeschluss 22 
wissenschaftliche Expertise mit an Bord geholt, 23 
die Mitglieder der AG sind durch den Landes-24 
vorstandsbeschluss so bestimmt worden, dass 25 
zudem Praxisexpertise aus den Abgeordneten-26 
Wahlkreisen, aus den Bezirken und der Partei 27 
eingebunden wird.  28 
 29 
Die  AG-Mitglieder  waren:  Ellen  Haußdörfer, 30 
Helmut Kleebank, Annika Klose, Matthias Köh-31 
ne, Maja Lasic, Gero Neugebauer, Mark Rackles 32 
(Leitung) und Richard Stöss. Thematisch einge-33 
bunden  wurden  Dennis  Buchner  und  Marisa 34 
Strobel zu den Themen Organisation/ Kampag-35 
ne  sowie  in  jeweils  einer  getrennten  Sitzung 36 
Michael  Müller  als  Spitzenkandidat  und  Lan-37 
desvorsitzender  sowie  Raed  Saleh  als  Frakti-38 
onsvorsitzender zu einer internen Analyse des 39 
Wahlergebnisses  aus  der  jeweiligen  Funktion 40 
heraus.  41 
 42 
Die AG hat die Landesvorstandsmitglieder und 43 
Gliederungen zu Beginn der Arbeit am 23.09.16 44 
schriftlich  aufgefordert  eigene  Analysen  des 45 
Wahlergebnisses  in  die  Arbeit  einzuspeisen. 46 
Soweit Zulieferungen erfolgt sind, wurden die-47 
se in der internen Debatte aufgegriffen.  48 
 49 
Arbeitsgrundlage  der  AG  war  und  ist  die  An-50 
nahme,  dass  das  Wahlergebnis  Ergebnis  von 51 
verschiedenen  Einflussfaktoren  ist  und  nicht 52 
auf eine Person, ein Thema, einen Fehler oder 53 
ein  Strukturdefizit  zu  reduzieren  ist.  Zudem 54 
arbeitet die AG im Selbstverständnis, dass die 55 
Debatte nur dann offen und selbstkritisch ge-56 
führt werden kann, wenn dies in einem ersten 57 
Schritt intern erfolgt. Daher arbeiteten die AG-58 
Mitglieder  vertraulich  und  verzichteten  auf 59 
öffentliche  Zwischenergebnisse  oder  Zwi-60 
schenbewertungen  der  einzelnen  AG-61 
Sitzungen. Die Arbeit der AG mündete in einem 62 
Bericht für die LV-Klausur am 11. Oktober 2016. 63 
Der LV muss darüber entscheiden, ob und in 64 
welcher  Form  die  Arbeit  der  AG  fortgeführt 65 
wird.  66 
 67 
Die  AG  tagte  jeweils  mehrstündig  am  23.09., 68 
28.09., 4.10. und 7.10. Am 4.10. nacheinander 69 
mit Michael Müller und Read Saleh. Alle AG-70 
Mitglieder haben schriftliche Beiträge geliefert, 71 
die  gemeinsam  im  vorliegenden  Tex
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 2 / 16 
I.)  Allgemeine Rahmenbedingun-106 
gen  107 
 108 
Allgemeine Stimmung und Bundest-109 
hemen 110 
 111 
Generell  wird  das  Wahlverhalten  durch  kurz-112 
fristig und durch langfristig wirksame Faktoren 113 
bestimmt.  Kurzfristig  wirken  vor  allem  Perso-114 
nalfragen  (Kandidatenpräferenzen  sowie  Cha-115 
raktereigenschaften und Sachkompetenzen des 116 
Spitzenpersonals),  Sachfragen  (wichtige  The-117 
men und Probleme, Problemlösungskompeten-118 
zen) sowie die Wahlkampfkommunikation, die 119 
in  den  nachfolgenden  Abschnitten  behandelt 120 
werden.  121 
 122 
Bei  den  Langzeitfaktoren  handelt  es  sich  in 123 
erster Linie um Besonderheiten der politischen 124 
Kultur  (politische  Bewusstseinslagen,  Denk- 125 
und Verhaltensweisen), um dominierende ge-126 
sellschaftliche  Konfliktlinien  und  um  die  Ver-127 
fasstheit des Parteienwettbewerbs, aber auch 128 
um  Sozialstruktur  und Parteibindungen.  Aller-129 
dings  tragen  soziale  Faktoren  und  Parteibin-130 
dungen mittlerweile kaum noch zur Erklärung 131 
von Wahlverhalten bei. Die Parteiidentifikation 132 
ist durchgängig gering, und der soziale Status 133 
spielte in Berlin nur eine nachgeordnete Rolle. 134 
Nach Auswertungen des Amts für Statistik Ber-135 
lin-Brandenburg  verteilen  sich  die  Ergebnisse 136 
der SPD mehr oder weniger gleichmäßig über 137 
alle sozialen Gruppen. Die Grünen waren ins-138 
besondere dort erfolgreich, wo der Migranten-139 
anteil hoch und/oder der Anteil von Personen 140 
mit längerer Wohndauer gering ist (also in den 141 
westlichen Innenstadtbezirken). Die Linkspartei 142 
erzielte dagegen in Gebieten mit geringer Kir-143 
chenbindung,  niedrigem  Migrantenanteil 144 
und/oder  vielen  Hartz  IV-Empfängern  über-145 
durchschnittliche Ergebnisse (also im Osten von 146 
Berlin). Und aus Umfragen wissen wir, dass die 147 
FDP vor allem von Selbständigen und die AfD 148 
überwiegend  von  Männern,  Arbeitern  und 149 
Arbeitslosen gewählt wurde. 150 
 151 
Wenn in diesem Abschnitt  die langfristig wirk-152 
samen  Determinanten  der  Wahlentscheidung 153 
betrachtet werden, darf daraus nicht geschlos-154 
sen  werden,  dass  die  Berliner  SPD  keine 155 
Schwächen bei der Wahlkampfkommunikation 156 
gezeigt hat oder dass ihr in den einschlägigen 157 
Politikfeldern  immer  umfassende  Sachkompe-158 
tenzen  zugeschrieben  worden  wären.  Auch 159 
dürfen die Langzeitfaktoren nicht als Entschul-160 
digung  für  die  schlechte  Performanz  der  SPD 161 
herangezogen werden ("wir haben alles richtig 162 
gemacht,  aber  die  Verhältnisse  waren  gegen 163 
uns").  164 
 165 
Die Berliner Wahlen fanden unter dem Einfluss 166 
von zwei wesentlichen Entwicklungen statt, die 167 
die  gesellschaftliche  Konfliktstruktur  und  den 168 
Parteienwettbewerb und damit eben auch die 169 
politische Kultur prägten: die Folgen der Globa-170 
lisierung  (hier  insbesondere  die  Zunahme  an 171 
Flüchtlingen) sowie die die Große Koalition im 172 
Land und im Bund. Hinzu kommen allgemeine 173 
Tendenzen  der  Fragmentierung  der  Parteien-174 
landschaft.  175 
 176 
Flüchtlingspolitik und AfD 177 
 178 
Die  allgemeine  politische  Stimmung  in 179 
Deutschland ist anders als in Vorjahren weniger 180 
von wirtschaftlichen 
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 3 / 16 politik bestimmt wird (über 60%), spielten Lan-
211 
desthemen für die AfD-Anhänger nur zu etwa 212 
30%  eine  Rolle  (FGW  Nachwahlbefragung). 213 
Etwa  20%  der  Berliner  AfD-Wähler/innen 214 
kommen  gegenüber  der  Wahl  2011  aus  dem 215 
Spektrum  von  rot-rot-grün,    30%  aus  dem 216 
Nichtwählerreservoir. 217 
 218 
 These  1:  Jenseits  der  Flüchtlingspolitik 219 
spielten  aktuelle  Bundesthemen  für  die 220 
Berliner  Wahl  keine  unmittelbare  domi-221 
nante Rolle, weder in positiver noch nega-222 
tiver Hinsicht.  223 
 224 
 These 2: Der AfD-Bundestrend hat - wenn 225 
auch großstadtbedingt geringer - auch in 226 
Berlin durchgeschlagen. Die AfD-Stimmen 227 
schwächen die SPD absolut nur wenig (ge-228 
ringer Wechsel), relativ durch die hohe Ak-229 
tivierung der Nichtwähler von 2011 jedoch 230 
wahrnehmbar.  231 
 232 
 These  3:  Das  AfD-Wähler/innenpotential 233 
ist für die SPD Berlin nicht unmittelbar er-234 
schließbar,  da  es  überwiegend  von  bun-235 
despolitischen  Einflussfaktoren  geprägt 236 
ist. Für die anstehenden Bundestagswah-237 
len  sind  die  AfD-Wähler/innen  durchaus 238 
von Interesse, da es sich um weit mehr als 239 
reine  Protestwähler/innen  (ehem.  Poten-240 
tial der Piraten 2011) und Rechtsextreme 241 
handelt. Hier erscheint eine vertiefte wis-242 
senschaftliche  Expertise/  Analyse  zu  den 243 
Wahlkreisen sinnvoll.  244 
 245 
Bedeutung  von  Bundes-SPD  bzw. 246 
Großer Koalition im Bund 247 
 248 
Von  einem  Kompetenz-  und/oder  Imagevor-249 
sprung der Bundes-SPD konnte die Berliner SPD 250 
nach Wahrnehmung der AG nicht profitieren. 251 
Im  Gegenteil  wurde  durch  eine  Vielzahl  von 252 
Rückmeldungen  aus  dem  Wahlkampf  vor  Ort 253 
eine hohe Skepsis bis Kritik an der Bundes-SPD 254 
und namentlich Sigmar Gabriel formuliert. Of-255 
fenbar konnten weder die Leistungen der SPD 256 
innerhalb der großen Koalition auf Bundesebe-257 
ne noch die Positionierung der Bundes-SPD in 258 
der  Flüchtlingsdebatte  Stimmungsgewinne 259 
begründen.  Im  Gegenteil  wurde  teilweise  die 260 
Teilkritik  von  Gabriel  an  der  Flüchtlingspolitik 261 
Merkels als Unzuverlässigkeit/ Wankelmütigkeit 262 
der SPD interpretiert. In der Gesamtschau kann 263 
aber vermutlich festgehalten werden, dass die 264 
Wahrnehmung  bzw.  das  Agieren  der  Bundes-265 
SPD für die Berliner SPD-Ergebnisse eine eher 266 
nachrangige Rolle spielten und analog zu den 267 
Bundesthemen das Wahlergebnis nicht unmit-268 
telbar wahrnehmbar beeinflusst haben.  269 
 270 
Allerdings  ist  die  Bundes-SPD  nach  Einschät-271 
zung  der  AG  an  zwei  Punkten  für  die  später 272 
noch  vertieft  erläuterte  Frage  der  Glaubwür-273 
digkeit von entscheidender Bedeutung. Bezüg-274 
lich  der Parteibindung  und  Wahrnehmung  im 275 
Feld  der  sozialen  Gerechtigkeit  wirken  einer-276 
seits  nach  wie  vor  die  Agenda  2010-277 
Sozialreformen/ Hartz IV negativ für ehemalige 278 
Stammwähler/innen  nach.  Der  Glaubwürdig-279 
keitsverlust der SPD im unteren Drittel der Be-280 
völkerung ist nach wie vor virulent, die Debat-281 
ten um die "Neue Mitte" (Fokus auf die "Leis-282 
tungsträger/innen  der  Gesellschaft")  und  der 283 
Vollzug der als ungerecht empfundenen Sozial-284 
reformen  haben  ein 
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 4 / 16 
Allgemeiner Parteientrend 317 
 318 
Die  AG  hat  intern  die  Frage  nach  dem  allge-319 
meinen Parteientrend gestreift und festgestellt, 320 
dass  CDU  und  SPD  über  einen  20-321 
Jahreszeitraum bundesweit und auch in Berlin 322 
kontinuierlich kleiner werden. Ob dies auf eine 323 
dauerhafte negative Perzeption des Spitzenper-324 
sonals  und  der  mittelfristig  wirksamen  Politik 325 
sowie  einer  anhaltenden  Entfremdung  von 326 
Wahlbevölkerung und Parteien zurückzuführen 327 
ist oder auf einen gesellschaftlichen Trend zur 328 
Aufsplitterung  und  Fragmentierung  der  Le-329 
benswelten,  ist  nicht  abschließend    erörtert 330 
worden. Fakt ist, dass die Annahme vor 35 Jah-331 
ren, dass die Grünen eine temporäre Erschei-332 
nung  sind,  und  die  Annahme  vor  20  Jahren, 333 
dass  die  ehemalige  PDS  sich  "biographisch 334 
auswächst", sich als falsch erwiesen haben. Es 335 
erscheint daher plausibel, dass sich neben der 336 
Ausdifferenzierung  des  linken  Parteienspekt-337 
rums  mittelfristig  auch  eine  weitere  rechte 338 
Kraft  dauerhaft  neben  der  CDU  etabliert,  so 339 
dass  ein  flächendeckendes  5-  bis  6-340 
Parteiensystem  von  den  Kommunen  über  die 341 
Länder bis zum Bund realistisch erscheint. Da-342 
mit geht eine Fragmentierung des Parteiensys-343 
tems einher, die sich bereits heute in 10 unter-344 
schiedlichen Regierungsvarianten mit 7 Partei-345 
en in 16 Ländern ausdrückt. Sofern sich dieser 346 
Trend  verstetigt,  könnte  das  Berliner  Wahler-347 
gebnis mit Regierungsparteien um die 20% und 348 
3-Parteienbündnissen ggf. kein Ausreißer sein. 349 
Allerdings kann das keine dauerhafte Entschul-350 
digung für Ergebnisse weit unterhalb 30% sein, 351 
da die SPD (und auch andere Parteien) in ande-352 
ren  Bundesländern  nach wie  vor  z.T.  deutlich 353 
über  30%  der  Stimmen  gewinnen  kann 354 
(2015/16: Hamburg/ Bremen/ Rheinland-Pfalz/ 355 
Mecklenburg-Vorpommern).  Relativierend 356 
kommt in Berlin lediglich der Fakt zum Tragen, 357 
dass hier zwei etablierte und relativ gleichstar-358 
ke  Parteien  im  linken  Spektrum  mit  der  SPD 359 
konkurrieren, was in keinem anderen Bundes-360 
land so ausgeprägt ist. Dennoch muss und kann 361 
das  Ziel  der  SPD  Berlin  weiterhin  die  30%-362 
Marke sein. 363 
 364 
 These 5: Der allgemeine langfristige Par-365 
teientrend stärkt eine Fragmentierung des 366 
Parteiensystems,  die  in  Berlin  besonders 367 
ausgeprägt ist und spricht zunehmend ge-368 
gen die Bildung "großer" Koalitionen (so-369 
wohl  rechnerisch  als  auch  bezüglich  der 370 
Stärkung der Ränder).  371 
 372 
 These 6: Trotz der dauerhaften Fragmen-373 
tierung in 5- oder 6- Parteiensysteme wird 374 
das erschließbare Potential für die Berliner 375 
SPD dauerhaft deutlich über den erzielten 376 
21,6 % bei eher 30% plus gesehen. Das Po-377 
tential  hierzu  sieht  die  AG  insbesondere 378 
bei den Nichtwähler/innen, bei der Links-379 
partei,  Teilen  von  Protestwähler/innen 380 
und Erst-/ Jungwähler/innen.  381 
 382 
 These  7:  Die  Fragmentierung  und  neue 383 
Unübersichtlichkeit  in  der  Parteienland-384 
schaft und insb. auch im Bundesrat min-385 
dert  die  frühere  Dominanz  von  Partei-386 
Blöcken  (früher  A-Länder  und  B-Länder) 387 
und  stärkt  d
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 5 / 16 dings für Gesamt-Berlin eine nachgeordnete, in 
423 
jedem Fall keine prioritäre Rolle. Auf  regiona-424 
ler  Ebene  gab es  jedoch z.T.  deutliche  Unter-425 
schiede. 426 
   427 
Allerdings ist das dominante Thema Flüchtlinge 428 
in Berlin seit Herbst 2015 sehr ausgeprägt mit 429 
dem  Thema  Verwaltungsversagen  verbunden 430 
(LAGESO).  Das  Motiv  " Verwaltungsversa-431 
gen" taucht nicht als eigenständiges Thema bei 432 
den Befragungen oder bei den Wechslern zur 433 
AfD auf. Es wird jedoch z. B. in den Medien und 434 
bei  nicht  repräsentativen  Befragungen  häufig 435 
angesprochen. Deshalb ist es als wichtig für die 436 
Stimmung  in  Berlin  im  Kontext  der  Enttäu-437 
schungen über die Leistungsfähigkeit der Berli-438 
ner  Verwaltung  einzuschätzen.  Da  die  allge-439 
meine Stimmung die Wahlentscheidung erheb-440 
lich  beeinflusst  haben  dürfte,  kann  man  hier 441 
eine mittelbare Wirkung unterstellen. Verwal-442 
tungsverdruss  lässt  sich  anhand  der  Auskunft 443 
über  die  Leistungsfähigkeit  der  Verwaltung 444 
vermuten: 69% der Befragten sagen, dass Ber-445 
lin  eine  unfähige  Verwaltung  hat.  Dazu  passt 446 
die Antwort auf Wahlbefragungen der FG Wah-447 
len zum BER und Ämtern: 94% der Befragten 448 
sind der Meinung, dass "die Politik beim Bau 449 
des Flughafens total versagt hat". 65% der Be-450 
fragten erklären, dass in Berlin "in den Ämtern 451 
und  Behörden  nichts  wirklich  funktioniert". 452 
Auch Infratest dimap ermittelt ein hohes Frust-453 
potential mit Verwaltungsbezug: 70% erklären, 454 
es werde zwar gebaut, aber nicht dort, wo es 455 
notwendig  ist;  69%  sprechen  pauschal  von 456 
einer  "unfähigen  Verwaltung"  in  Berlin  und 457 
61% haben gänzlich das Vertrauen in die Prob-458 
lemlösungskompetenz  der  Parteien  verloren 459 
("Egal  wer  regiert,  keine  Partei  bekommt  die 460 
Probleme in den Griff").  461 
 462 
Für den Problembereich Flüchtlinge etc. betru-463 
gen  die Kompetenzzuweisungen:  SPD  19%, 464 
CDU 19%, AfD 13%, keine Partei 21%. In Sachen 465 
Wohnungen/Mieten lag die SPD zwar mit 28% 466 
deutlich vor der CDU (9%), aber 30% der Be-467 
fragten trauten keiner Partei die Lösung dieses 468 
Problems zu. Bei Schule/Bildung nahm die SPD 469 
zwar mit 25% ebenfalls den ersten Platz ein, die 470 
CDU  folgte  aber  dicht  auf  mit  19%.  Generell 471 
muss  festgestellt  werden,  dass  die  Kompe-472 
tenzwerte der SPD vergleichsweise bescheiden 473 
ausgefallen sind. Das galt gerade auch für das 474 
wichtigste Thema ihrer Wählerschaft, nämlich 475 
die soziale Gerechtigkeit. Dafür trauten ihr nur 476 
30% der Befragten Kompetenz zu (LINKE 25%, 477 
CDU 11%). Besonders kritisch ist zu bewerten, 478 
dass CDU und SPD gleich (wenig) Kompetenzen 479 
im  Umgang  mit  der  Flüchtlingsproblematik 480 
zugebilligt  werden.  Dies  trotz  des  massiven 481 
Scheiterns der zuständigen CDU-Senatoren, des 482 
massiven  Eingriffs  und  der  Verantwortungs-483 
übernahme  des  Regierenden  Bürgermeisters/ 484 
der Senatskanzlei und der an sich positiv be-485 
setzbaren  Zuständigkeit  für  Integration.  Im 486 
Ergebnis  muss  man  festhalten,  dass  die  Ver-487 
antwortungsübernahme  im  Herbst  2015  zwar 488 
für die Menschen auf der Flucht richtig war, für 489 
die  SPD  sich  jedoch  politisch  nicht  "ausge-490 
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 6 / 16 druck  der  Failed  City  und  werden  nicht 
531 
mehr wahrgenommen.Die SPD muss bes-532 
ser darin werden, frühzeitig auf Probleme 533 
zu reagieren und wahrnehmbar Verbesse-534 
rungen  zu  schaffen,  damit  Themen  nicht 535 
zu "Aufregerthemen" werden.  536 
 537 
 538 
Ein besonderes Augenmerk sollte auf die in den 539 
letzten Jahren Zugezogenen Wähler/innen ge-540 
legt  werden.  Das  Wählerwanderungsmodell 541 
von  Infratest  dimap  weist  für  die  SPD  einen 542 
Zugewinn von + 16.000 Wähler/innen aus, das 543 
ist ein Wert, der hinter der LINKEN (+ 26.000), 544 
hinter  den  GRÜNEN  und  der  CDU  (jeweils  + 545 
22.000)  und  sogar  hinter  der  FDP  (+  17.000) 546 
liegt. Da es sich bei den Zuzügen neuer Wäh-547 
ler/innen eher um ein aktives, eher junges und 548 
urban  ausgerichtetes  Klientel  handeln  dürfte, 549 
stellt  sich  hier  ganz  besonders  drängend  die 550 
Frage, warum die SPD gegenüber den anderen 551 
Parteien in dieser Zielgruppe so abfällt. 552 
 553 
 These  10:  Die  SPD  hat  ein  nachhaltiges 554 
Profilproblem, wenn die junge und urban 555 
orientierte  Zielgruppe  der  Zuziehenden 556 
keine besondere Affinität zur regierenden 557 
Berlin-Partei aufbaut. Hier wäre ggf. durch 558 
wissenschaftliche  Expertise  eine  vertie-559 
fende Analyse durch Befragungen zu emp-560 
fehlen.  561 
 562 
Glaubwürdigkeit und Vertrauen 563 
 564 
Neben dem Verlust an Glaubwürdigkeit durch 565 
objektiv  vorhandene  Umsetzungsprobleme  in 566 
der  Praxis  wirken  nach  Ansicht  der  AG  zwei 567 
wesentliche Faktoren negativ gegen die SPD in 568 
der Wahrnehmung der Bürger/innen. Der auch 569 
im  Wahlkampf  wahrnehmbare  Vorwurf  man-570 
gelnder Glaubwürdigkeit  machte  sich  einer-571 
seits an den Sozialreformen der SPD (Agenda 572 
2010/ Hartz IV) fest, womit insbesondere auf 573 
der normativen Ebene Fragen der empfunde-574 
nen  sozialen  (Un-)  Gerechtigkeit  verbunden 575 
sind.  Andererseits  ist  die  langjährige  Regie-576 
rungsverantwortung  und  insbesondere  die 577 
damals  notwendige  "Konsolidierungspolitik", 578 
die  bis  heute  in  der  Öffentlichkeit  als  "Kür-579 
zungspolitik" empfunden wird (insb. auch die 580 
Privatisierung  öffentlicher  Infrastruktur),  auf 581 
der praktischen Ebene bis heute die Glaubwür-582 
digkeitskeule, mit dem z.B. neue investive Pro-583 
gramme  wie  das  Schulsanierungsprogramm 584 
wegkommentiert  werden  mit  dem  Hinweis 585 
"Den  Sanierungsstau  habt  Ihr  doch  selbst  er-586 
zeugt!". Während man die Glaubwürdigkeitslü-587 
cke bei Hartz IV nur langfristig und auf Bundes-588 
ebene  wird  angehen  können,  ist  eine  wahr-589 
nehmbare und selbstkritische Abkehr von der 590 
(so empfundenen) Kürzungspolitik der Nuller-591 
Jahre möglich und nötig. Sie hätte bereits 2011 592 
erfolgen  sollen.  Wenige  Sätze  haben  sich  in 593 
Berlin  so  eingebrannt wie  das  "Sparen  bis  es 594 
quietscht"  und  "Arm  aber  sexy",  beide  be-595 
schreiben  heute  weder  einen  vermittelbaren 596 
und  sachgerechten  Politikansatz  noch  eine 597 
ansatzweise mehrheitsfähige Haltung.   598 
 599 
 These 11: SPD hat ein Glaubwürdigkeits-600 
problem  im  Themenbereich  sozialer  Ge-601 
rechtigkeit, das insbesondere in den Hartz 602 
IV-Gesetzen  und  der  Konsolidierungs-/ 603 
Kürzungs-
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 7 / 16 stehen. Das kann Entscheidungen aus Vor-
638 
jahren/  anderen  Wahlperioden  betreffen 639 
(Privatisierungen/  Kürzungseinschnitte) 640 
oder auch (ggf. skandalisierbare) Fehlein-641 
schätzungen  im  laufenden  Politikbetrieb, 642 
wo eine Verwaltung sich ohne viel Aufhe-643 
bens auch  mal  korrigieren  können muss. 644 
Dies  stellt  auch  hohe  Anforderungen  an 645 
die Fehlerkultur und das solidarische Mit-646 
einander innerhalb der Koalition.  647 
 648 
Neben  dem  Glaubwürdigkeitsverlust  ist  auch 649 
ein  Vertrauensverlust  aus  Sicht  der  AG  fest-650 
stellbar, der auf die Wahl durchgeschlagen hat. 651 
Hierbei  spielen  nicht  eingehaltene  Verspre-652 
chungen eine Rolle oder auch Themensetzun-653 
gen, die als nicht relevant empfunden werden. 654 
Wenn die SPD 100.000 neue Wohnungen ver-655 
spricht,  dann  mag  das  zwar  thematisch  auf 656 
abstrakter Ebene als richtige Schwerpunktset-657 
zung empfunden werden, die konkrete Miete-658 
rin  bei  einer  Wohnungsbaugesellschaft  hat 659 
davon  aber  gar  nichts  und  empfindet  anste-660 
hende  Mieterhöhungen  dann  als  Vertrauens-661 
bruch in die Politik. 662 
 663 
 These  14:  Landespolitische  Versprechun-664 
gen der SPD sollten künftig möglichst kon-665 
kret, für Menschen einfacher und mittlerer 666 
Einkommensschichten  relevant  und  ab-667 
sehbar erfüllbar sein.  668 
 669 
Der  Glaubwürdigkeits-  und  Vertrauensverlust 670 
weist über die SPD in Berlin hinaus. In breiten 671 
Schichten der Bevölkerung herrschen eine dif-672 
fuse  Unzufriedenheit  und  das  Gefühl  abge-673 
hängt zu sein, was nicht zwingend mit niedri-674 
gem  Bildungsstand  oder  Einkommen  zusam-675 
menhängt. PEGIDA und AfD profitieren von der 676 
Unzufriedenheit  mit  dem  parlamentarischen 677 
System. Letztlich liegt den Ängsten vor Globali-678 
sierung  eine  klassische  Kritik  an  den  Auswir-679 
kungen des Kapitalismus und seinem Konkur-680 
renz-  und  Kostendruck  zugrunde,  so  dass  die 681 
SPD  einen Teil  der "Abgehängten" mit  einem 682 
sozial  ausgerichteten  Wirtschaftspolitik  und 683 
einer  sozialstaatlichen  Orientierung  durchaus 684 
ansprechen kann. 685 
 686 
 These 15: Soziale Gerechtigkeit und soziale 687 
Sicherheit sind zwei Ziele, die parallel und 688 
wahrnehmbar verfolgt werden sollten. Die 689 
Einbettung der Sicherheitsanliegen breiter 690 
Bevölkerungsschichten in den Rahmen so-691 
zialer Sicherheit und der Ausgleich der ge-692 
legentlich konkurrierenden Ziele (Arbeits-693 
platzsicherheit  vs.  Lohnerhöhung)  muss 694 
ein  Leitbild  sozialdemokratischer  Politik 695 
sein.   696 
 697 
 698 
Koalition und Streitkultur 699 
 700 
Große  Koalitionen  führen  zumeist  dazu,  dass 701 
bestehende  Randparteien  gestärkt  und/oder 702 
neue Parteien an den politischen Rändern ent-703 
stehen und sogleich beträchtliche Erfolge erzie-704 
len.  Und  zumeist  führen  Große  Koalitionen 705 
auch zu Stimmeneinbußen für die Regierungs-706 
parteien.  Erfahrungsgemäß  profitiert  die  SPD 707 
nur dann von ihrer Mitwirkung an Großen Koa-708 
litionen  (egal  ob  als  Junior-  oder  Senior-709 
partner),  wenn  sie  als  führende  Reformkraft 710 
wahrgenommen wird und in allen für die Bür-711 
ger besonders wichtigen Politikbereichen über 
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 8 / 16 ihrer als besonders wichtig erachteten Projekte 
745 
zu realisieren. Dies war in Berlin teilweise aus 746 
Unvermögen auf Seiten der CDU, teilweise aber 747 
auch  wechselseitiger  Blockade  und  fehlende 748 
Kooperations- und Vertrauensbasis in 2015 und 749 
2016  nicht  mehr  der  Fall.  Im  Ergebnis  führt 750 
Dauerstreit und selbstverschuldete Handlungs-751 
unfähigkeit in Einzelfragen zu einer negativen 752 
Einschätzung  der  gesamten  Koalitionsarbeit; 753 
am  Ende  haftet  die  SPD  als  führende  Regie-754 
rungspartei  für  das  Erscheinungsbild  des  Se-755 
nats, so dass über mehr als ein Jahr keine Win-756 
Situation für die SPD, sondern eine Lose-Lose-757 
Situation  für  beide  Koalitionspartner  entstan-758 
den ist.  759 
 760 
Die Werte zur Zufriedenheit mit der Arbeit des 761 
Senats sind zwar im Jahresverlauf 2016 leicht 762 
gestiegen  (von  32  auf  38%;  Infratest  dimap), 763 
liegen  in  Berlin  jedoch  notorisch  unter  den 764 
Werten anderer Länder (zwischen 33% Große 765 
Koalition  1999  über 38% für  rot-rot 2011  bis 766 
41% für rot-grüne Minderheitsregierung 2001).  767 
Selbst  37%  der  SPD-Wähler/innen  äußerten 768 
gegenüber  Infratest,  dass  die  SPD  es  in  der 769 
Regierung  nicht  geschafft  hat,  die  wirklichen 770 
Probleme anzupacken. Am Ende haben beide 771 
Regierungsparteien  massive  Stimmenverluste 772 
aufzuweisen, die deutlich aufzeigen, dass eine 773 
auf Dauer streitbefangene Koalition abgewählt 774 
wird.  775 
 776 
 These 17: Die SPD muss das Koalitionsma-777 
nagement verbessern. Die nächste Koaliti-778 
on muss im Konsens und im gegenseitigen 779 
Respekt geführt werden und win-win-win-780 
Situationen  erzeugen.  Alle  Partner  brau-781 
chen Luft zum Agieren, Punkten und Ab-782 
schließen  gemeinsam  verabredeter,  aber 783 
in  Eigenverantwortung  erfolgreich  umzu-784 
setzender  Referenzprojekte.  Umgekehrt 785 
muss dies auch heißen, dass kein Partner 786 
nur  für  das  "Gute"  und 787 
re"  (bis  hin  zu  entsprechenden  Ressorts) 788 
zuständig  sein  kann.  Jeder  Partner  muss 789 
potentiell  für  Unpopuläres  haftbar  ge-790 
macht werden können und aus einer ge-791 
meinsamen positiven Handlungslogik und 792 
transparenten  Entscheidungslogik  heraus 793 
auch  unpopuläre  Entscheidungen  solida-794 
risch tragen.  795 
 796 797 
 These 18: Die SPD muss eine kooperative 798 
Meinungsführerschaft  in  der  Koalition 799 
aufbauen. Als stärkste Kraft einer rot-rot-800 
grünen  Koalition  muss  sie  dabei  nicht 801 
"nach  rechts"  rücken  und  konservative 802 
Themen besetzen (Gefahr Bremser inner-803 
halb  der  eigenen  Koalition).  Sie  muss 804 
"nach vorne" treiben und punktuell Akzen-805 
te gegenüber dem eigentlichen politischen 806 
Gegner (CDU) setzen.  807 
 808 
 These 19: SPD hat ein personelles Profil-809 
problem.  Der  Regierende  Bürgermeister 810 
und Spitzenkandidat ist innerhalb der Koa-811 
lition zu stark zum Streiter in einer zerstrit-812 
tenen  Koalition  geworden,  was  bei  der 813 
CDU am Ende dazu führte, dass sie ohne 814 
jede Hemmung Amt des RBm und Institu-815 
tion der Senatskanzlei frontal anging (Ro-816 
ter  Filz  im  Rathaus).  Der  RBm  muss  die 817 
Rolle des zusammenführenden "Landesva-818 
ters" (für a
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 9 / 16 schen diesen Ebenen und erwartet nicht zwin-
851 
gend eine 100%ige Geschlossenheit aber eine 852 
Konsistenz des Handelns. Offene Widersprüche 853 
in  relevanten  Fragen  und  anhaltender  Streit 854 
dürften für Wähler/innen ein negatives Wahl-855 
kriterium sein. Vor diesem Hintergrund tragen 856 
alle  drei  relevanten  Strukturen  und  die  ent-857 
sprechenden Führungspersonen in Partei, Frak-858 
tion und Senat Verantwortung für das Wahler-859 
gebnis.  Die  AG  kann  nur  eine  selbstkritische 860 
Debatte  anstoßen,  indem  in  allen  drei  Berei-861 
chen danach gefragt wird, ob spezifische Fakto-862 
ren  erkennbar  sind,  die  mit  dem  schlechten 863 
Wahlergebnis  in  einem  mehr  oder  weniger 864 
kausalen Zusammenhang stehen könnten. Das 865 
Erkenntnisinteresse richtet sich dabei nicht auf 866 
"Schuld" oder "Verantwortung" (die ist kollek-867 
tiv) sondern auf künftiges "Optimierungspoten-868 
zial" (das ist konkret).   869 
 870 
Die Partei 871 
 872 
Bezüglich  der  Partei.  standen  drei  Fragen  im 873 
Vordergrund: a) hat sich der Führungswechsel 874 
in der jüngeren Vergangenheit negativ ausge-875 
wirkt? b) Verfügt die Partei über genug Boden-876 
haftung/ Kieznähe? c) folgt sie einem gesamt-877 
städtischen Anspruch? 878 
 879 
a) Führungswechsel 880 
 881 
In den letzten Jahren hat der Vorsitz (und z.T. 882 
der  GLV)  der  Berliner  SPD  mehrfach  gewech-883 
selt, zuletzt im Mai 2016 durch den Zugriff des 884 
Regierenden Bürgermeisters auf den Parteivor-885 
sitz. Auch wenn es hierzu intern kritische De-886 
batten gab, hat die Partei einen geschlossenen 887 
und engagierten Wahlkampf geführt. Ein dau-888 
erhafter  öffentlicher  Streit  wurde  vermieden; 889 
ein  wahrnehmbarer  Strategiewechsel  in  der 890 
politischen Ausrichtung und/oder Wahlkampf-891 
strategie erfolgte nicht. Dazu hat der Verzicht 892 
auf  eine  erneute  Kandidatur  um  den Landes-893 
vorsitz durch Jan Stöß und die solidarische Be-894 
gleitung des Führungswechsels durch die ganze 895 
Partei einen entscheidenden Beitrag geleistet. 896 
Auch  wenn  die  Einschätzungen  innerhalb  der 897 
AG  zum  Vorsitzwechsel  selbst  auseinanderge-898 
hen, so überwiegt doch die Einschätzung, dass 899 
dieser Vorgang keinen wahrnehmbaren Einfluss 900 
auf das Wahlergebnis hatte.  901 
 902 
Allerdings ist mit der Personalunion von RBm 903 
und  Landesvorsitz  die  Herausforderung  ver-904 
bunden, den RBm aus unmittelbaren Streitde-905 
batten (innerhalb der Koalition) herauszuhalten 906 
und den Ausgleich über die Partei zu organisie-907 
ren. Hier wird einerseits eine stärkere Rolle der 908 
Partei  erwartet  werden  (ggf.  LGF/  GLV-909 
Mitglieder),  andererseits  die  Fraktionsführung 910 
weiterhin eine aktive Rolle spielen. Geht man 911 
dagegen davon aus, dass die rot-rot-grüne Koa-912 
lition deutlich konsensualer aufgestellt ist und 913 
sich die Abgrenzung gegenüber einer ggf. zer-914 
splitterten Opposition aus CDU, FDP und AfD 915 
vollzieht, dann sinkt der Bedarf an unmittelba-916 
rer Rollenteilung.  917 
 918 
 These  21:  Die  Rolle  und  Bedeutung  der 919 
Partei muss auch in Zeiten der Personal-920 
union von Vorsitz und Senatschef gestärkt 921 
werden, um parallel zu Senat & Fraktion in 922 
Rollenteilung  politis
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 10 / 16 gewirkt haben (auch wenn es an vielen Stellen 
956 
nicht gereicht hat). 957 
 958 
 These 22: Selbst wenn es keine eindeutige 959 
Korrelation zwischen Aktivität und Wahl-960 
erfolg  in  den  Wahlkreisen  geben  sollte, 961 
lohnt jede Verstärkung der lokalen Wahl-962 
kreispräsenz und -arbeit. In Zeiten von 6 963 
Parteien  sind  die  Stimmergebnisse  2016 964 
teilweise so knapp, dass wenige  Stimmen 965 
den Ausschlag geben. Insbesondere knapp 966 
verlorene  Wahlkreise  sollten über  Paten-967 
schaften  (analog  zu  Bundestagswahlkrei-968 
sen) persönlich betreut werden. 969 
 970 
In der zugespitzten Formulierung, dass die SPD 971 
sich zur "Staatspartei" entwickelt habe und sich 972 
von  den  Berliner/innen  und  ihren  Anliegen 973 
dauerhaft  entfremdet  habe,  fanden  sich  die 974 
AG-Mitglieder nicht wieder. In der AG-Debatte  975 
wurde  weniger  auf  in  Vereinen  organisierten 976 
Wähler/innen  abgestellt,  als  vielmehr  auf  die 977 
Bevölkerungsgruppe,  die  sich  vollständig  aus 978 
dem  gesellschaftlichen Leben  aus  Frustration, 979 
Zorn oder schlicht Ausgrenzung zurückgezogen 980 
hat  und  nicht  mal  mehr  über  organisierte 981 
Strukturen ansprechbar ist.  982 
 983 
Diejenigen, die sich von Politik im Allgemeinen 984 
und  von  der  SPD  im  Besonderen  abwenden, 985 
sind  vor  allem  diejenigen,  die  der  SPD  nicht 986 
mehr zutrauen, dass sie in der Lage ist, für ei-987 
nen persönlich etwas zum Guten zu verändern. 988 
Sie haben sich zurückgezogen vom politischen 989 
und  gesellschaftlichen  Leben.  Der  SPD  ist  es 990 
immer  weniger  gelungen,  Zugang  zu  diesen 991 
Menschen  zu  bekommen.  Die  sichtbare  Prä-992 
senz von SPD-Mitgliedern in den 6 Wochen vor 993 
einem Wahltag ersetzt keinen kontinuierlichen 994 
und dauerhaften Kontakt. Die Lebenswirklich-995 
keit  und  die  Alltagsprobleme  dieser  großen 996 
Gruppe von Menschen außerhalb der SPD kön-997 
nen  daher  in  der  Partei  nicht  ausreichend 998 
wahrgenommen  werden.  Die  Politik  der  SPD 999 
geht  an  den  Interessen  dieser  Bevölkerungs-1000 
gruppe vorbei. Hier muss die SPD gezielt neue 1001 
Formen der Ansprache finden.  1002 
 1003 
c) Berlin-Partei 1004 
 1005 
In der Analyse tauchte die These auf, dass die 1006 
Wähler/innen  in  den  Außenbezirken  sich  ge-1007 
genüber den Bürger/innen in den Innenstadt-1008 
bezirken abgehängt und nicht nur geographisch 1009 
an den Rand gedrängt fühlen. Dies ist neben 1010 
dem Einsatz öffentlicher Gelder  und  Ressour-1011 
cen auch eine Frage an die SPD als Partei. Un-1012 
sere  Lebenswirklichkeit  und  das  Parteileben 1013 
werden nach Einschätzung einiger stark aus der 1014 
Mitte Berlins heraus definiert, das reicht bis hin 1015 
zur  Organisation  von  Foren,  Parteitagen  und 1016 
sonstigen Events  der Landespartei.  In  der  AG 1017 
überwog allerdings die Einschätzung, dass sich 1018 
dies weniger an Innen/Außen festmacht als an 1019 
Ost/West. Reinickendorf und Steglitz haben mit 1020 
den  Wahrnehmungen  in  Treptow-Köpenick 1021 
nicht mehr gemeinsam als mit Mitte. Allerdings 1022 
haben  Marzahn-  Hellersdorf  und  Treptow-1023 
Köpenick ggf. ähnliche Sichtweisen und Anlie-1024 
gen, die jedoch nicht aus einer defizitären regi-1025 
onalen  Perspektive  "gegen"  die  Innenstadt 1026 
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 11 / 16 nis gesprochen. Im Ergebnis war klar, dass die 
1062 
Bedeutung  in  der  Öffentlichkeit    gegenüber 1063 
dem Senat eher sekundär ist. 1064 
 1065 
a) Koalitionsmanagement 1066 
 1067 
Die  Zusammenarbeit  mit  der  CDU  auf  parla-1068 
mentarischer  Ebene  hat  sich  analog  zu  den 1069 
Streitereien  im  Senat  entwickelt,  wenn  auch 1070 
abgemildert. Insbesondere in den mit der CDU 1071 
politischen  umstrittenen  Gestaltungsfeldern 1072 
Bauen und Bildung gab es immer wieder erheb-1073 
liche  öffentliche  Differenzen  (Evers/  Bente-1074 
le/Schlede),  z.T.  auch  massive  Interventionen 1075 
gegen  SPD-Senatsmitglieder  (Regierungserklä-1076 
rung Flüchtlinge, Roter Filz etc.). Allerdings trat 1077 
deren Wahrnehmung gegenüber den Dissensen 1078 
im Senat in den Hintergrund.  1079 
 1080 
Auf  der  Haben-Seite  entwickelten  die  Frakti-1081 
onsführungen von SPD und CDU immer wieder 1082 
eigenständige Initiativen (u.a. "Herbst der Ent-1083 
scheidungen"),  mit  denen  größere  politische 1084 
Projekte  auf  den  Weg  gebracht  wurden.  Die 1085 
Einschätzung in der AG lief darauf hinaus, dass 1086 
eine starke eigenständige Fraktion aus Sicht der 1087 
SPD immer ein Gewinn ist und der Gesamtpro-1088 
filierung  dient,  sofern  eine  enge  Abstimmung 1089 
mit insb. dem Senat (im Alltag: CdS und PGF) 1090 
erfolgt. Die Ergebnisse der Fraktionsklausuren 1091 
konnten regelmäßig die politische Debatte mit 1092 
neuen  Initiativen  stimulieren  (Bonus-1093 
Programm, SIWA). Nur in wenigen Fällen waren 1094 
Inkonsistenzen im Agieren von Senat und Frak-1095 
tion feststellbar (z.B. Videoüberwachung).  1096 
 1097 
 These 24: Für die Glaubwürdigkeit der SPD 1098 
in Gänze ist es wichtig, dass auch in der 1099 
Fraktion  wie  bisher  erreichbare  und  um-1100 
setzbare Ziele und Projekte definiert und 1101 
mit dem Senat und Bezirken abgestimmt 1102 
werden.  1103 
 1104 
b) Haushaltspolitik 1105 
 1106 
In der Haushaltspolitik erfolgt über die Fraktion 1107 
als  Haushaltsgesetzgeber  die  konkrete  politi-1108 
sche  Schwerpunktsetzung  der  Koalition.  Hier 1109 
wurden  in  den  vergangenen  zwei  Haushalten 1110 
nach Einschätzung der AG in Abstimmung mit 1111 
dem Senat die richtigen Haushaltsschwerpunk-1112 
te  gesetzt.  Allerdings  überwog  die  Einschät-1113 
zung, dass zu spät investiv und bezüglich des 1114 
Personalaufbaus umgesteuert worden ist, was 1115 
den Aspekt der Glaubwürdigkeit (siehe oben) 1116 
der SPD tangiert. Als dann umgesteuert wurde, 1117 
baute sich mit SIWA ein neues Instrument auf, 1118 
das schnell hohe Summen band, deren Abfluss 1119 
jedoch  nicht  wirksam  gewährleistet  werden 1120 
konnte,  womit  sich  erneut  ein  Umsetzungs-1121 
problem  manifestierte.  Die  Orientierung  am 1122 
Leitsatz Konsolidieren und Investieren (50% der 1123 
Überschüsse in SIWA) steht somit einer grund-1124 
sätzlichen Neuausrichtung der Investitionspoli-1125 
tik  und  Personalpolitik  nicht  entgegen,  beför-1126 
dert  diese  aber  auch  nicht  wahrnehmbar.  Es 1127 
bleibt bei einer hohen Dominanz der Konsoli-1128 
dierungsbeiträge und zäh abfließenden Investi-1129 
tionsmittel,  die  in  einem  wenig  flexiblen  Sys-1130 
tem vorgehalten werden. Für die Bürger/innen 1131 
ist nicht erkennbar, warum in SIWA bald annä-1132 
hern
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 12 / 16 lend.  In  einzelnen  Bereichen  wie  der  Bildung 
1168 
waren  längere  Ausfälle  der  Sprecherfunktion 1169 
kontraproduktiv,  weil  gerade  in  diesem  poli-1170 
tisch und medial hoch umstrittenen und dyna-1171 
mischen  Themenkreis  ein/e  offensive/r  Spre-1172 
cher/in sowohl gegenüber Opposition als auch 1173 
gegenüber  dem  öffentlich  agierenden  Koaliti-1174 
onspartner hilfreich gewesen wäre. Nach Dis-1175 
kussion mit dem Landes- und dem Fraktions-1176 
vorsitzenden  war  die  AG  auch  der  Meinung, 1177 
dass  in  der  letzten  Legislatur  die  öffentliche 1178 
Präsenz der Sprecher/innen bei Fachveranstal-1179 
tungen und Multiplikatorenevents ausbaufähig 1180 
ist.  1181 
 1182 
 These  26:  Die  Bürger/innen-Nähe  findet 1183 
neben  der  Wahlkreis-  und  Vereinsarbeit 1184 
auch  über  Multiplikatoren  in  der  Stadt 1185 
statt. Gerade auch eine verkleinerte Frak-1186 
tion muss noch systematischer und geziel-1187 
ter als bisher die für Multiplikatoren wich-1188 
tigen  Veranstaltungen  wahrnehmen  und 1189 
für die SPD Präsenz und Themenaffinität 1190 
zeigen.  1191 
 1192 
 1193 
SPD-Senat 1194 
 1195 
Die  Arbeit  des  Senats  und  dessen  Wahrneh-1196 
mung ist z.T. bereits im Abschnitt II. themati-1197 
siert  worden.  Unter  dem  Gesichtspunkt  der 1198 
Prägung des SPD-Erscheinungsbildes spielt die 1199 
Senatsmann-/frauschaft eine zentrale Rolle. In 1200 
der AG wurden unter diesem Aspekt zwei Ge-1201 
sichtspunkte  beraten:  a)  "Skandale"  sowie  b) 1202 
Sparpolitik. 1203 
 1204 
a) "Pleiten, Pech & Pannen" 1205 
 1206 
In  der  AG  und  auch  in  der  innerparteilichen 1207 
Debatte rückt insbesondere im Jahr 2016 die 1208 
Serie von "Skandalen" in den Vordergrund des 1209 
Interesses. Sowohl im Gespräch mit dem Regie-1210 
renden Bürgermeister als auch mit dem Frakti-1211 
onsvorsitzenden wurde die Serie von öffentli-1212 
chen Kritikpunkten als relevant für Stimmung 1213 
und Wähler/innenverhalten bewertet. Die Serie 1214 
kann grob mit "McKinsey/ Diwell", "Großspen-1215 
den",  "Roter  Filz  im  Rathaus"  und  "Leipziger 1216 
Platz" beschrieben werden und reichte bis an 1217 
den  Wahltag  mit  "Pressesprecher/  Degewo". 1218 
Auch wenn ein unmittelbarer Zusammenhang 1219 
schwer  bis  gar  nicht  nachweisbar  ist,  war  es 1220 
einhellige Meinung in der AG, dass die Summe 1221 
und Kontinuität der Anlässe doch erheblich zu 1222 
der  über  Monate  abnehmenden  SPD-Werten 1223 
beigetragen haben. Problematisch erschien z.T. 1224 
auch der Umgang mit den Anlässen und Medi-1225 
enreaktionen, der offenbar keine aktive Fehler-1226 
kultur i.S. einer Entschuldigung oder Rücknah-1227 
me einer Entscheidung zuließ. Das kann auch 1228 
verstärkend auf die Frage des wahrnehmbaren 1229 
Glaubwürdigkeitsverlusts  der  SPD  gewirkt  ha-1230 
ben.  1231 
 1232 
b) Sparpolitik 1233 
 1234 
Der  Wechsel  zwischen  Sparpolitik  und  Perso-1235 
nalabbau auf der einen Seite (Zielzahl 100.000) 1236 
und den Bedarfen der wachsenden Stadt wur-1237 
de bis heute nicht konsequent vollzogen. Auf 1238 
Bezirken  und  Hauptverwaltung  lastet  immer 1239 
noch  der  einschlägige  Senatsbeschluss  (inkl. 1240 
Berichtspflichten  an  den  Hauptausschuss), 1241 
während parallel dazu erhebliche neue Stellen 1242 
fü
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 13 / 16 Bildung  und  Bauen.  Die  Claims  standen  mit 
1274 
"Berlin bleibt  frei / sozial / weltoffen und ge-1275 
bührenfrei"  in  enger  Verbindung  zu  den 1276 
Grundwerten/Markenkernen  der  SPD.  Die 1277 
Kommunikation  wurde  auf  einige  Kernbot-1278 
schaften fokussiert, die basierend auf den Fo-1279 
kusgruppen  aus  dem  Wahlprogramm  heraus-1280 
gearbeitet  und  wiederholt  platziert  wurden.  1281 
Die  Kampagne  war  aus  den  Erfahrungen  der 1282 
Vorjahre  heraus  stark  personalisiert,  was  den 1283 
Empfehlungen  der  Kommunikationsprofis  ent-1284 
sprach und auch der Lebenserfahrung, dass in 1285 
der  Mediengesellschaft  Inhalte  und  Parteien 1286 
zunehmend  über  das  (Spitzen-)  Personal  ver-1287 
mittelt werden ("Müller, Berlin"). Die Kampag-1288 
ne  setzte  sehr  stark  auf  einen  vermeintlich 1289 
vorhandenen Wohlfühlfaktor und den Wunsch 1290 
nach Bestand/ Absicherung in der wachsenden 1291 
Stadt ("Berlin bleibt ...").  1292 
 1293 
Angesichts des Amtsbonus und der relativ ho-1294 
hen  Sympathiewerte  des  SPD-1295 
Spitzenkandidaten  Michael  Müller  (40%  der 1296 
Wähler/innen ist er gem. FGW sympathischer 1297 
als Frank Henkel) und seines klaren Vorsprungs 1298 
bei  einer  Direktwahl  (53%  der  Wähler/innen 1299 
würden ihn direkt wählen), war die Personali-1300 
sierung sinnvoll.  1301 
 1302 
Allerdings wurde in der AG kritisch diskutiert, 1303 
dass  sowohl  die  zurückgenommene  Präsenz 1304 
der SPD als Partei (Logo) als auch der Schluss-1305 
slogan  "Wer  Müller  will  muss  SPD  wäh-1306 
len!"  wenig  tauglich  ist,  die  sowieso  fragile 1307 
Parteibindung in der Stadt zu stärken. Das wäre 1308 
vertretbar bei einem Spitzenergebnis, bei dem 1309 
erzielten  Ergebnis  erscheint  die  Strategie  je-1310 
doch  hinterfragbar.  Das  Wahlergebnis  spricht 1311 
gegen den Erfolg dieser Störer, die auch schon 1312 
in NRW 2005 ("Wer Peer will ...")  wenig Wir-1313 
kung entfalteten.  1314 
 1315 
Die  AG  war  sich  mit  dem  Spitzenkandidaten 1316 
einig, dass die Flächenwirkung von Kampagnen 1317 
generell  nicht  überbewertet  werden  sollte. 1318 
Dennoch  lohnt  im  Hinblick  auf  kommende 1319 
Wahlen eine Auseinandersetzung mit den ein-1320 
gesetzten Strategien und Instrumenten.  1321 
 1322 
 These  28:  Kampagnen  haben  allgemein 1323 
eine  eingeschränkte  Wirksamkeit  auf 1324 
Wahlergebnisse. Eine Personalisierung ist 1325 
sinnvoll, jedoch unter klarer Bezugnahme 1326 
auf Partei/ Logo.  1327 
Claim/ Slogan 1328 
 1329 
Der Claim wurde aus den Fokusgruppen heraus 1330 
entwickelt, in denen deutlich wurde, dass ein 1331 
verbindendes  Element  bei  den  SPD-affinen 1332 
Gruppen  der  Stolz  auf  die  Entwicklung  und 1333 
Erfolge Berlins in den vergangenen 15 Jahren 1334 
war. In der AG wurden sowohl der Claim "Berlin 1335 
bleibt ..." als auch "Müller, Berlin" jedoch eher 1336 
kritisch bewertet, da "Müller, Berlin" eher auf 1337 
eine  etablierte  Marke  (z.B.  erneute  Wieder-1338 
wahl nach langjähriger Zeit als RBm) anwend-1339 
bar  ist  als  beim  ersten  Wahlantritt  als  RBm. 1340 
Erheblich  kritischer  wurde  jedoch  der  Claim 1341 
"Berlin bleibt ..." gesehen, da er im Kern auf 1342 
den Erhalt des Status quo abzielt und zudem in 1343 
Ost und West bzw. in den Innenstadt- und Au-1344 
ßenbezirken unterschiedlich rezip
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 14 / 16  These  29:  Es  spricht  vieles  dafür,  dass 
1381 
künftig regionale Besonderheiten bei der 1382 
Konzeptionierung  der  Landeskampagne 1383 
systematisch mitgedacht werden und den 1384 
Kreisen  ohne  Bruch  mit  Design/  Konzept 1385 
auf  Landesebene  spezifische  dezentrale 1386 
Zielgruppenansprachen  ermöglicht  wer-1387 
den.  1388 
 1389 
Die Claims "Müller.Berlin" und "Berlin 1390 
bleibt" orientierten sich gleichermaßen an 1391 
diejenige Wählerschaft, die sich nach Stabilität 1392 
sehnt und einem Verbleib des aktuellen Status 1393 
quo in der Stadt. Diese Wählerschaft wünscht 1394 
sich jedoch eine rot/schwarze Regierung (und 1395 
keine R2G-Experimente) und wählte daher 1396 
sowieso SPD oder ggf. eher schwarz, um dies zu 1397 
bekommen. Die Teile der Bevölkerung, die sich 1398 
ein Weg vom Weiter-so wünschten, wurden 1399 
mit dem Claim eher vor den Kopf gestoßen. 1400 
Das Ziel, Unzufriedene von der Abwanderung 1401 
zur Linken bzw. AfD abzuhalten, wurde durch 1402 
die Claims nicht unterstützt. Die aufeinander 1403 
aufbauenden Wellen der Kampagne habe die 1404 
Bevölkerung entweder irritiert (verschwomme-1405 
ner Bürgermeister) oder wurden gar nicht 1406 
wahrgenommen. Fazit: Die Kampagne war in 1407 
der Gänze auf Michael Müller ausgerichtet, in 1408 
der Annahme, dass seine Zuspruchswerte das 1409 
Wahlverhalten beeinflussen würden. Diese 1410 
Annahme erwies sich als falsch. Letztlich dürfte 1411 
die Kampagne selber keinen entscheidenden 1412 
Einfluss auf das Wahlverhalten gehabt haben. 1413 
 1414 
 These 30: Die verwendeten Claims werden 1415 
als nicht geeignet bewertet. Insbesondere 1416 
"Berlin  bleibt  ..."  hätte  ggf.  i.S.  "Berlin 1417 
wird  ..."  normativer  und  stärker  auf  Ge-1418 
staltungsanspruch und den schon eingelei-1419 
teten    Politikwechsel  abstellen  müssen 1420 
und nicht so 'restaurativ' wirken dürfen.   1421 
 1422 
 1423 
Koalitionsaussage 1424 
 1425 
Die  im  September  durch den  Spitzenkandida-1426 
ten erfolgte klare Aussage zugunsten einer rot-1427 
grünen  Koalitionspräferenz  wurde  in  der  AG 1428 
kontrovers diskutiert und im Ergebnis differen-1429 
ziert  bewertet.  Nach  innen  kann  die  Aussage 1430 
durch  eine  hohe  Übereinstimmung  mit  den 1431 
Präferenzen  der  wahlkämpfenden  Ge-1432 
noss/innen ggf. mobilisierend gewirkt haben. In 1433 
jedem Fall hat die Aussage strategisch als eine 1434 
mediale  Zuspitzung  und  mediale  Belebung  in 1435 
der  politischen  Auseinandersetzung  geführt, 1436 
die  zu  einer  Mobilisierung  geführt  hat.  Aller-1437 
dings wirkte die Mobilisierung nach Einschät-1438 
zung der AG zwiespältig, indem im Ergebnis im 1439 
Westen  die  CDU  (geringfügig)  durch  Wäh-1440 
ler/innen  gestärkt  wurde,  die  weiterhin  ein 1441 
Interesse  an  einer  großen  Koalition  hatten; 1442 
wichtiger ist jedoch der Effekt in den östlichen 1443 
Bezirken,  wo  die  rot-grüne  Festlegung  stabili-1444 
sierend bzw. stärkend für die Linkspartei wirk-1445 
te.  Dies  galt  umso  mehr,  als  rot-grün  keine 1446 
rechnerische  Mehrheit  hatte  und  man  mit 1447 
Wahl  der  Linkspartei  rot-grün  =  rot-rot-grün 1448 
bekommen und gleichzeitig CDU ausschließen 1449 
konnte  (hier  wirkte  die  Debatte  u.a.  um 1450 
schwarz-grün nicht zwingend pro SPD).  
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 15 / 16 den Wahlen kontinuierlich sinken. Eine positive 
1487 
Korrelation von Umfragewerten und Kampagne 1488 
ist nicht nachweisbar.  1489 
 1490 
 These 32: Kampagnen müssen mit einem 1491 
deutlichen  Vorlauf  zum  Start  der  Brief-1492 
wahlen  bereits  in  die  heiße  Phase  kom-1493 
men. 1494 
 1495 
Kampagnenfähigkeit  1496 
 1497 
Die Kampagnenfähigkeit der Berliner SPD wur-1498 
de allgemein als positiv eingeschätzt, die Un-1499 
terstützungsleistung  durch  das  KSH  ebenfalls. 1500 
Allerdings ergeben sich differenzierte Analysen 1501 
insbesondere  für  die  mitgliederschwächeren 1502 
Kreise und Abteilungen, die historisch bedingt 1503 
vornehmlich im Osten zu finden sind und oft-1504 
mals  mit  den  von  Linkspartei  und  AfD  um-1505 
kämpften  Stimmbezirken  zusammen  fallen. 1506 
Hier wurde festgestellt, dass die gezielte Unter-1507 
stützung  strukturschwacher  Abteilungen  ge-1508 
genüber 2011 schwächer ausgefallen sei (u.a. 1509 
Rote  Busse).  Zudem  wird  das  Problem  der 1510 
schwachen  Personaldecke  vor  Ort  verstärkt 1511 
durch  immer  schwächer  ausgeprägte  Struktu-1512 
ren/  Foren,  an  denen  ein  lokaler/  regionaler 1513 
Wahlkampf mit Multiplikatorenwirkung aufset-1514 
zen könnte. So wurde beispielhaft für Gebiete 1515 
in Treptow-Köpenick festgestellt, dass die Zahl 1516 
der Schulveranstaltungen, QM-Veranstaltungen 1517 
oder  auch  gemeinsame  Aktivitäten  mit  Ge-1518 
werkschaften  nicht  aus  Unwillen  gegenüber 1519 
2011 deutlich abgenommen hat, sondern wg. 1520 
schwächer werdender Bezugsstrukturen.  1521 
 1522 
 These 33: Insbesondere nach dem Verlust 1523 
einer Vielzahl von Mandaten im Abgeord-1524 
netenhaus, den Bezirksämtern und BVV ist 1525 
gerade  im Osten  eine  Strategie dafür  zu 1526 
entwickeln, wie eine flexible und ggf. mo-1527 
bile  Infrastruktur  zur  Unterstützung  klei-1528 
ner Abteilungen in Wahlkämpfen gewähr-1529 
leistet werden kann.  1530 
 1531 
 1532 
Wirksamkeit Instrumente 1533 
 1534 
Hier  werden  nur  einige  Hinweise  zu  wirksam 1535 
und weniger wirksamen Instrumente der Kam-1536 
pagne gegeben. Im Hinblick auf die Bedeutung 1537 
für die anstehenden Bundestagswahlen werden 1538 
die  Mitglieder  Helmut  Kleebank,  Maja  Lasic 1539 
und Ellen Haußdörfer jedoch noch eine vertiefte 1540 
Bewertung  der  Instrumente  in  technisch-1541 
organisatorischer Hinsicht liefern.  1542 
 1543 
Als wirksam eingeschätzt wurden: 1544 
 1545 
 persönliche Präsenz vor Ort im Kiez durch 1546 
Elemente,  die  über  den  klassischen  Info-1547 
stand hinausgehen und die Menschen per-1548 
sönlich  ansprechen.  1549 
 Müller-Tour durch die Bezirke (persönlicher 1550 
Kontakt des Regierenden zu den Bürgerin-1551 
nen und Bürgern) 1552 
 BVV-Kandidaten-Flyer  (z.B.  in  Spandau 1553 
100.000 verteilte Exemplare) 1554 
 Berliner Stadtblatt 1555 
 Spandaus  eigene  Großplakate  (Zeigen: 1556 
Kandidaten vor Ort, drücken Beziehungen 1557 
aus) 1558 
 Give-aways  von  guter  Qualität  und  mit 1559 
erkennbarer  Marke:  Luftballons  (mit  Bal-1560 
longas), Baumwollbeutel 1561 
 1562 
Als weniger wirksam eingeschätzt wurden:  1563 
 1564 
 Format kleine Kandidatenflyer 1
SPD-AG Wahlanalyse  11.10.2016  Seite 16 / 16 zirksebene.  Ebenso  sind  die  Stadträte  völlig 
1594 
hinten runter gefallen, auch sie haben wichtige 1595 
Funktionen  und  Vernetzung  in  der  Stadt.  Die 1596 
Kampagne sah keine Adaptionen auf Kreis- und 1597 
Abteilungsebene  vor  (für  eigene  Wahlpro-1598 
gramme etc.).  1599 
 1600 
Zur Frage, ob wir in der Sprache unserer Ziel-1601 
gruppen formulieren und kommunizieren, hielt 1602 
die AG fest, dass dies ausbaufähig sei. Das gilt 1603 
vor allem für das (lange) Wahlprogramm, wel-1604 
ches in Sprache und Struktur weit jenseits der 1605 
Bedürfnisse  durchschnittlicher  Wählerinnen 1606 
und Wähler ist.  1607 
 1608 
Hinzu kam, dass die Wahlprogramme in ande-1609 
ren Sprachen als Deutsch viel zu spät zur Verfü-1610 
gung  standen  (Anfang  Septrember)  und  die 1611 
Auswahl der Sprachen nicht systematisch aus-1612 
fiel (relevante Sprachen wie griechisch kamen 1613 
nicht  vor  oder  wurden  erst  durch  Nachdruck 1614 
ermöglicht). 1615 
 1616 
Als  sinnvoll  wurde  eingeschätzt,  dass  künftig 1617 
eine  Feedbackmöglichkeit  zur  laufenden  (!) 1618 
Kampagne erfolgen sollte, mit der Landesvor-1619 
stand, Kreise und AGs Hinweise zur Wirksam-1620 
keit/  Verlauf  der  Kampagne  frühzeitiger  beim 1621 
KSH einspeisen können.  1622 
 1623 
V. Fazit 1624 
 1625 
Im Ergebnis stellt sich wenig überraschend ein 1626 
differenziertes  Bild  der  Ursachen  für  das 1627 
schlechte  Wahlergebnis  dar.  Bundesthemen 1628 
waren zwar relevant, aber nicht dominant und 1629 
keine  besondere  Erklärung  für  das  schlechte 1630 
Abschneiden in Berlin (Kapitel I). Die Kampagne 1631 
wurde allgemein und relativ einhellig als wenig 1632 
wirksam bewertet. Die Botschaften gingen zum 1633 
Teil  am  aktuellen  Lebensgefühl  vieler  Berli-1634 
ner/innen  vorbei  ("Berlin  bleibt  ...").  Zentrale 1635 
Wirk- und Einflussfaktoren werden bei der Ber-1636 
liner SPD selbst gesehen und sind insbesondere 1637 
den Kapitel II (Wahlmotive) und III (SPD Berlin) 1638 
im Einzelnen ausgeführt. Auch hier gilt, dass es 1639 
eine Vielzahl von Faktoren sind, die jeder für 1640 
sich  ausgewertet  werden  müssen.  Das  am 1641 
stärksten wirksame Problem der Berliner SPD 1642 
ist der wahrzunehmende Verlust an Vertrauen 1643 
und Glaubwürdigkeit. Im Kapitel II setzen auch 1644 
die wichtigsten Thesen zur möglichen Umsteu-1645 
erung  an,  die  gemeinsam  mit  den  Thesen  in 1646 
Kapitel III aus Sicht der AG eine geeignete Basis 1647 
für die weitere Debatte und Schlussfolgerungen 1648 
in den Gliederungen bilden.  1649 
 1650 
Die AG empfiehlt dem Landesvorstand, dass die 1651 
Schlussfolgerungen  insbesondere  unter  II  und 1652 
III (sofern sie mehrheitlich Unterstützung erfah-1653 
ren) möglichst unmittelbar in die Ausgestaltung 1654 
der neuen Koalition und Definition der eigenen 1655 
Rolle einfließen sollten. 1656 
 1657 
Die AG empfiehlt dem Landesvorstand zudem: 1658 
 1659 
 ...  die  Weiterleitung  des  Berichts  an  die 1660 
Gliederungen, damit diese die Analyse und 1661 
Thesen aus ihrer jeweiligen Sicht bewerten 1662 
und weiterentwickeln können. Sinnvoll er-1663 
scheint eine Rückmeldefrist im November, 1664 
damit  auf  Basis  des  Berichts  und  dieser 1665 
Rückmeldungen  ggf.  in  Form  einer    Be-1666 
schlussvorlage  im  Landesvo

SPD Wahlanalyse 2016

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